Feldenkrais und Parkinson
Allgemeine Gedanken zum Leben mit Parkinson und speziell zum Projekt "Die Feldenkrais-Methode für und mit Menschen mit Parkinson"
Menschen mit Parkinson teilen bei all der Verschiedenheit in den Verläufen auch viele Gemeinsamkeiten. Das wird immer wieder deutlich, wenn sich Erkrankte treffen, sei es in einer Selbsthilfegruppe, oder z.B. beim Tischtennis. Schnell kommen sie miteinander ins Gespräch und tauschen sich aus über ihre Bewegungs-Symptome, wie das Zittern (Tremor), Muskelsteifigkeiten (Rigor), Überbeweglichkeiten (Hyperkinese und Dyskinesien), oder allgemeine Verlangsamung und Bewegungsarmut (Hypokinese bis Akinese). Gleichgewichtsprobleme führen zu Stürzen und zusätzlichen Verletzungen und Einschränkungen.
Andere Themen, die die Nicht-Motorischen Symptome der Parkinsonkrankheit betreffen kommen meist etwas später auf den Tisch, wenn man sich schon etwas besser kennengelernt hat. Dazu zählen Schlafstörungen, Verdauungsprobleme, Konzentrations- und Gedächtnisschwäche oder Inkontinenz-Probleme. Impuls-Kontroll-Störungen können das Soziale Leben erheblich in Unruhe versetzen. Nicht selten entsteht im Laufe der Jahre eine sexuelle Dysfunktion, die die Partnerschaft schwer belasten kann.
Alle an Parkinson Erkrankten teilen Sorgen und Ängste, die verbunden sind mit dem fortschreitenden Abbau der Körperfunktionen, teilen die Sorge vor der drohenden Unselbständigkeit und Hilfsbedürftigkeit. Vermutlich das meist gefürchtetste Schicksal ist die Demenz! Verlangsamung und Abnahme der Reaktionsfähigkeit können zur Fahruntauglichkeit führen. Oft folgt der Verlust der Sozialen Bezüge, weitere Isolation und Vereinsamung bis zur Depression, die aber auch schon ein Frühsymptom sein kann! Viele der genannten Symptome verbunden mit einem Mangel an Selbstwertgefühl und einer fortschreitenden Verringerung der Belastbarkeit können zum Verlust des Arbeitsplatzes und der Arbeitsfähigkeit führen, was nicht nur finanzielle Nöte, sondern auch Schamgefühl und weiter sinkendes Selbstbewusstsein mit sich bringen kann.
Was kann man tun, um all dem entgegen zu wirken? Man muss sicherlich an verschiedenen Stellschrauben drehen! Eine wichtige Säule ist die Medikamentöse Therapie und andere Ärztliche Therapien, wie die Tiefe Hirnstimulation (THS) oder der noch selten angewandte Fokussierte Ultraschall.
Eine weitere wichtige Säule ist die sogenannte Sozialhygiene, die bewusste Pflege der familiären und sozialen Bezüge, wie Freundes- und Bekanntenkreis.
Zum dritten Ansatzpunkt gehört alles, was im weitesten Sinne mit Bewegungstherapie zu tun hat, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie als etablierte, von den Krankenkassen unterstützte Therapien. Aber auch die Hippotherapie, welche einen besonders guten Einfluss auf die Tonusregulierung (Regulierung der Körperspannung) hat soll hier genannt werden und alles, was Körper und Geist in Bewegung bringt. Tanzen, Musizieren, jeglicher Sport aktiviert, wobei verschiedene Sportarten ihre jeweiligen schwerpunktmäßigen Aspekte haben.
Eine Methode jenseits des Sports und, oftmals verwirrend, auch jenseits von Therapie, Menschen in Bewegung zu bringen, ist die Feldenkrais-Methode. Dr. Moshé Feldenkrais (1904-1984), dessen Denken in seinem Beruf als Ingenieur stark von den Gesetzmäßigkeiten der Mechanik und Physik geprägt war, der aber auch von Menschen, wie dem Begründer des Judo, Prof. Kano, oder dem Musikpädagogen Heinrich Jakoby und der Berliner Bewegungspädagogin Elsa Gindler beeinflusst war, entwickelte ein pädagogisches Konzept, dessen Grundgedanke ist, dass der Mensch bis zu seinem Lebensende in der Lage ist zu lernen. Entwicklungsschritte, die in der Kindheit ausbleiben, oder gestört werden, können in späteren Jahren nachgeholt werden (wenn auch die beste Zeit sicherlich die ursprünglich dafür vorgesehene ist (!)). Feldenkrais` Hauptziel ist die selbständige Handlungskompetenz einer reifen Persönlichkeit. Deshalb ist es in seiner Arbeitsweise unerlässlich, dass der Anwendende sich (unter Anleitung) seine neuen Erkenntnisse und Veränderungen im Bewegungs-/Verhalten selbst erarbeitet und nicht von außen vorgegeben bekommt.
Der Aufbau einer Feldenkrais-Stunde beginnt i.d.R. mit einer Bestandsaufnahme. Der Lernende macht eine Gewohnheitsbewegung, wie z.B. das Greifen nach einem imaginären Gegenstand, oder einen Lagewechsel, wie das Drehen von der Rückenlage in die Seitlage und lernt im Laufe der Zeit diese zu betrachten und zu analysieren mit den Fragen "wie mache ich das genau?", "welche Gelenke meines Körpers sind gerade in welcher Art beteiligt?" "ist das leicht, oder anstrengend?" , "kann ich dabei ungestört atmen, oder stockt der Atem (schlechtes Zeichen!)", "bleibe ich im Gleichgewicht, oder war ich überhaupt jemals im Gleichgewicht? Wie komme ich da hinein und wie bleibe dort?" "mache ich überhaupt das, was ich machen will?" Den zweiten Schritt und Hauptteil der Stunde bilden durch den Lehrer geführte Bewegungsexperimente, die nach alternativen Möglichkeiten suchen, immer wieder unterbrochen durch Pausen, die Gelegenheit geben, Veränderungen im Körpergefühl bewusst wahrzunehmen.
Beginnt das Gehirn spürend zu bewegen, verändert es automatisch seine Muster, da es bemerkt, wenn ein Bewegungsmuster leichter, größer , angenehmer, schmerzfreier, ökonomischer ist, als das gewohnte. So schreibt das Gehirn sein Bewegungsprogramm neu!
Die Organisation zur Schwerkraft spielt für Feldenkrais eine zentrale Rolle, schließlich ist die Menschheitsgeschichte eine Geschichte der Aufrichtung. Die Parkinsonkrankheit scheint den betroffenen Menschen in die andere Richtung zu nötigen. Verbesserung des Gleichgewichts bedeutet Sturzprophylaxe und Selbstsicherheit. Selbst-Sicherheit heißt, dass man sich seiner selbst sicher ist. Und das kann man nur sein, wenn man sich selbst in seinen Funktionsweisen kennt! Dazu leistet die Feldenkrais-Methode einen Beitrag.
Der Parkinson Erkrankte erfährt sich selbst zusehends in seinen Defiziten, bekommt mit, dass sich nach und nach Funktionen verschlechtern, dass er kleiner, leiser und schwächer wird. Diese beängstigenden Erfahrungen musste ich auch machen. Aber ich habe auch ganz andere Erfahrungen machen dürfen. Z.B, dass ich in der Zeit, zu der ich noch nicht wusste, dass ich schon längst Parkinson hatte, die Prüfungen zum 1. und 2. Dan (1.und 2. Schwarzgurt) im Aikido abgelegt habe. Und kürzlich, ca. 17 Jahre später legte ich die Prüfung zum 3. Dan ab. Oder dass ich als Erkrankter mit 55 Jahren noch mit dem Tischtennis Spielen angefangen habe und heute, drei Jahre später in der untersten Bezirksliga mitmische. Damit möchte ich darlegen, dass man mit Parkinson nicht ausschließlich abbaut, wenn auch der Prozess nicht umkehrbar ist! Sondern man kann durchaus noch Dinge dazulernen und sich auch in motorischen Bereichen verbessern und weiterentwickeln. Wir werden nicht mehr gesund, aber wir können Lebensqualität erhalten, wenn wir weiter lebendig bleiben!